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...und dieser Mann liebte nur sich selbst.

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Der Mythos Narziss

Wie Sie vielleicht erkennen können, handelt dieses Gedicht vom griechischen Mythos von Narziss. Wie in dem Gedicht gezeigt, gibt es die Figur Narziss in der griechischen Mythologie, welche von dem Flussgott Kephissos und der Nymphe Leiriope abstammt. Er ist wunderschön, weswegen er gleichermaßen von Frauen wie von Männern umworben wird. Da er jedoch zu stolz ist und keinen seiner Verehrer als würdig empfindet, weist er sie allesamt herzlos ab. Einer dieser Verehrer war Ameinias, welcher sich nach seiner Zurückweisung selbst umbringt, zuvor jedoch zu den Göttern spricht, die seinen Tod rächen sollen. Die Göttin Nemesis hört diese Bitte und bestraft Narziss mit unstillbarer Selbstliebe – da er niemanden zu lieben vermag, soll er nur noch sich selbst lieben können.

Die Bergnymphe Echo (nach welcher das bekannte Phänomen des Echos benannt ist) gehört ebenso zu den Verehrern von Narziss und folgt diesem, als er im Wald herumirrt. Sie kann ihm ihre Liebe nicht gestehen, da sie damit bestraft wurde, nur die letzten Worte einer anderen Person wiederholen zu können. Als Narziss alleine im Wald herumirrt und über einer Quelle kniet, um etwas zu trinken, sieht er in der Wasseroberfläche sein eigenes Spiegelbild. Narziss verharrt, kann sich von seinem Spiegelbild nicht entfernen. Die Enden des Mythos variieren, doch gehen sie in der Regel mit dem Tod von Narziss einher.

Narzissmus heute

Heutzutage ist vielleicht der Begriff „Narzissmus“ geläufiger als der Mythos dahinter. Umgangssprachlich wird dieser meist im Kontext mit Menschen, die sehr selbstverliebt sind, gebraucht. Diese schenken dann anderen Menschen meist weniger Beachtung als sich selbst und so ist der Begriff „Narzisst“ eher negativ behaftet. Allgemein gibt es ganz verschiedene Konnotationen des Begriffes, je nachdem, in welchem Diskurs man sich bewegt. Schauen Sie sich beispielsweise mal das Wortprofil zum Narzissmus beim DWDS an (hier!).

Variierende Präsenz damals und heute

Vielleicht wundern Sie sich und fragen: Was hat der Mythos von Narziss denn überhaupt mit der mittelalterlichen Idee von hoher Minne zu tun?
Aussichtslosigkeit der Liebeserfüllung gehört meistens zu den zentralen Themen der hohen Minne und das kann man im Narzisslied, welches auch als „Leidsang“ identifiziert werden kann, wiederfinden. Eines der zentralen Elemente der hohen Minne, die Unerreichbarkeit der Geliebten, ist im Mythos von Narziss variierend präsent.

Der antike Mythos inspiriert Menschen seit Jahrhunderten – nicht nur im Mittelalter, sondern auch heute. Das Gedicht auf der vorangegangenen Seite spielt dabei nicht nur inhaltlich mit dem Mythos, sondern greift auch den Prozess der steten Aktualisierung und Transformationen auf und zeigt, wie der Mythos verschiedene Epochen miteinander verbinden kann. So ist Ihnen bestimmt aufgefallen, dass das Schriftbild des Gedichtes nicht ganz unseren heutigen Lesegewohnheiten entspricht. Auch wenn es in der neuhochdeutschen Sprachstufe verfasst ist, erinnert doch vieles an seinem Erscheinungsbild an eine mittelalterliche Überlieferung. Können Sie sich vorstellen, was gemeint ist?

...und dieser Mann liebte nur sich selbst.